
Einsamkeit als Thema der Sozialhilfe
Einsamkeit ist ein individuelles Gefühl. Sie kann Körper, Psyche und Gesellschaft gleichermassen belasten. Der Beitrag zeigt, wie Fachkräfte in der Sozialhilfe Einsamkeit erkennen und Scham und Informationsbarrieren überwinden, um soziale Einbindung gezielt fördern zu können.
Wir alle kennen Momente, in denen wir uns einsam fühlen – etwa wenn uns Kolleg:innen nicht mit zum Mittagessen nehmen oder eine lang erwartete Verabredung abgesagt wird. Solche kurzen Phasen, sogenannte episodische Einsamkeit, gehören zum menschlichen Alltag. Sie sind ein Signal unseres Körpers, dass wir soziale Beziehungen (re)aktivieren sollten. Wird Einsamkeit unfreiwillig und dauerhaft erlebt, kann sie zu körperlichen und psychischen Problemen führen – und langfristig auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächen.
Zentrale Aspekte des Einsamkeitserlebens aus sozialarbeiterischer Sicht lassen sich anhand von Ursachen und Folgen darstellen. Daraus ergeben sich Ansätze für die Prävention und die Intervention im Kontext der Sozialhilfe.
Einsamkeit aus sozialarbeiterischer Sicht
Einsamkeit entsteht, wenn Beziehungen nicht so erfüllend sind, wie Menschen es sich wünschen – sei es in ihrer Zahl oder in ihrer Qualität. Damit unterscheidet sie sich von sozialer Isolation, die objektiv beschreibbar ist. Wer in einem Singlehaushalt lebt, gilt als sozial isoliert. Wer allein lebt, muss sich allerdings nicht zwangsläufig einsam fühlen; umgekehrt können sich Menschen mitten im Alltag oder in Partnerschaften einsam erleben, wenn Nähe und Verständnis fehlen.
Hilfreich ist die Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Einsamkeit. Freiwillige Einsamkeit kann ein bewusster Rückzug sein, um Kraft zu schöpfen. Unfreiwillige Einsamkeit entsteht, wenn soziale Bindungsbedürfnisse dauerhaft nicht erfüllt werden. Diese Form kann psychisch und körperlich belasten.
Einsamkeit lässt sich als Kontinuum verstehen: Auf der einen Seite stehen soziale Einbindung sowie freiwillige Einsamkeit, auf der anderen chronische, unfreiwillige Einsamkeit. Dazwischen liegen vielfältige Einbindungssituationen – Menschen können sich in ihrer Ehe eingebunden fühlen, sich aber im Freundeskreis einsam fühlen und in ihrer Nachbarschaft nicht eingebunden sein.
Unterschieden werden daher verschiedene Formen von Einsamkeit:
- emotionale Einsamkeit, wenn eine enge, intime, vertrauensvolle Beziehung fehlt;
- soziale Einsamkeit, wenn ein stabiles Netzwerk von Freundschaften oder Kolleg:innen fehlt;
- emotionale Einsamkeit, wenn eine enge, intime, vertrauensvolle Beziehung fehlt;
- soziale Einsamkeit, wenn ein stabiles Netzwerk von Freundschaften oder Kolleg:innen fehlt;
- kollektive Einsamkeit, wenn Zugehörigkeit zu Gemeinschaft oder Gesellschaft fehlt;
- kulturelle Einsamkeit, wenn sich Menschen im eigenen Umfeld fremd fühlen, etwa nach Migration oder Wertewandel;
- physische Einsamkeit, wenn körperliche Nähe oder Berührung fehlen.
Die Unterscheidung dieser Einsamkeitsformen ist wichtig, weil Fachkräfte im Beratungsgespräch lösungsorientiert mit Betroffenen erarbeiten können, welche Faktoren oder Verhaltensweisen in einem Lebensbereich soziale Einbindung fördern – um daraus Impulse für andere Lebensbereiche abzuleiten, in denen Einsamkeit erlebt wird.
Ursachen und Folgen von Einsamkeit
Einsamkeit entsteht selten aus einem einzigen Grund. Häufig wirken biografische Umbrüche und Risikofaktoren zusammen. Der Übergang in den Ruhestand oder die Geburt eines Kindes verändert soziale Netzwerke und Rollen. Freundschaften verschieben sich, Routinen brechen weg – neue Formen der Einbindung müssen erst gefunden werden.
Auch Diskriminierung, gesundheitliche Einschränkungen oder ein niedriger sozialer Status können Einsamkeit begünstigen. Wer in Gegenden mit wenigen Begegnungsorten lebt oder sich Kultur- und Freizeitangebote nicht leisten kann, hat geringere Chancen auf soziale Teilhabe im Wohnquartier.
Unfreiwillige, anhaltende Einsamkeit hat individuelle und gesellschaftliche Folgen. Sie kann zu depressiven Symptomen, Rückzug und Vertrauensverlust führen – auch gegenüber sozialen und öffentlichen Institutionen. Wenn sich Menschen dauerhaft ausgeschlossen fühlen, steigt das Risiko, dass sie sich Gruppen zuwenden, die Zugehörigkeit über Abgrenzung anbieten. Damit wird chronische Einsamkeit zu einem sozialen Problem, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden kann.
Prävention und Intervention in der Sozialhilfe
Wer Einsamkeit vorbeugen oder ihr begegnen will, muss zwei Herausforderungen beachten: Einsamkeitsscham und Informationsbarrieren. Viele Betroffene schämen sich für ihre Einsamkeit, obwohl sie von aussen kaum sichtbar ist. Sie empfinden sie als persönliches Versagen und vermeiden es, darüber zu sprechen. Fachkräfte sollten daher im Beratungskontext auf direkte und indirekte Anzeichen achten. Direkte Hinweise können ein Alleinleben oder eine prekäre Lebenslage sein, die gesellschaftliche Teilhabe erschwert. Indirekte Hinweise zeigen sich etwa in Aussagen über fehlende Kontakte, in Klagen über Langeweile oder in einem auffällig zurückgezogenen Verhalten. Ein empathischer und wertschätzender Umgang im Sinne einer personenzentrierten Gesprächsführung kann helfen, Scham zu verringern und Vertrauen aufzubauen.
Wenn ein vertrauensvolles Arbeitsbündnis entstanden ist und Betroffene ihre Einsamkeit offen ansprechen, kann eine lösungsorientierte Beratung dabei unterstützen, Wege zu einer von ihnen gewünschten sozialen Einbindung zu entwickeln. Hilfreich sind dabei sogenannte Ausnahmefragen: Sie lenken den Blick von der belastenden Einsamkeit auf Situationen, in denen sich Menschen weniger einsam fühlen. Zum Beispiel: «Gibt es Momente, in denen Sie sich verbunden oder weniger allein erleben?»
Nicht bei allen Menschen lassen sich solche Ausnahmen finden. In diesen Fällen ist es wichtig, passende Unterstützungs- und Begegnungsangebote zu vermitteln.
Informationsbarrieren
Damit ist die zweite Herausforderung angesprochen: Informationsbarrieren. Viele Menschen wissen nicht, welche Einbindungsangebote es gibt oder wie sie sie erreichen können. Besonders ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Personen haben selten Zugang zu digitalen Informationen oder Treffpunkten.
Hier kann die Sozialhilfe ansetzen, indem Fachkräfte Wissen über Unterstützungs-, Begegnungs- und Freizeitangebote in ihrem Zuständigkeitsgebiet aufbauen und pflegen. Dieses Wissen sollte personenunabhängig vorhanden sein, damit es im Beratungsgespräch gezielt genutzt werden kann, sobald sich ein entsprechender Bedarf zeigt. Dafür ist es hilfreich, regelmässig den Kontakt zu Quartierzentren, Vereinen, Kirchengemeinden, Seniorentreffs oder soziokulturellen Einrichtungen zu suchen. Prävention bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem, Einsamkeit zu erkennen und auf Einbindungsangebote verweisen zu können, die für Menschen leicht zugänglich sind. Ziel ist es, soziale Teilhabe zu fördern, ohne Betroffene zu stigmatisieren – um einen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten.
Quellen
Noack, M. (2022): Soziale Arbeit und Einsamkeitsregulation. Weinheim: Juventa.
Luhmann, M. (2020): Definitionen und Formen der Einsamkeit. KNE-Expertise 1/2020. Im Internet: kompetenznetz-einsamkeit.de/publikationen/kne-expertisen (letzter Aufruf: 22.4.2025).
Hinte, W. /Noack, M. (2022): Sozialraumorientierte Perspektive. Was wollen einsame Menschen? In: Noack Napoles, Juliane/Noack, Michael (Hrsg.) (2022): Handbuch Soziale Arbeit und Einsamkeit. Weinheim, S. 70–90.