Die neue Website gibt Langzeitbeziehenden von Sozialhilfe eine Stimme.

Akteure des eigenen Lebens

05.06.2022
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2018 startete Artias ein partizipatives Pilotprojekt, das sich an Langzeitbeziehende von Sozialhilfe richtete. Während neun Monaten kamen Leistungsempfänger aus verschiedenen Westschweizer Kantonen zusammen, um sich auszutauschen, und auch, um ein wenig zu träumen und sich gemeinsam eine soziale Begleitung vorzustellen, die ihren Bedürfnissen besser entspricht. Eine neue Website ist diesen Akteuren gewidmet, sie kommen in verschiedenen Formaten zu Wort.

«Als wir mit den ersten Sitzungen mit Artias begannen, fühlte ich mich endlich wertgeschätzt. Ich hatte endlich die Möglichkeit, zu sagen, was mich beschäftigte, und mich nützlich zu fühlen», sagt Stéphane Addor, der im Berner Jura lebt und seit mehreren Jahren Sozialhilfe bezieht, in einem Videobericht auf «Acteurs de nos vies». Die Website erzählt die Geschichte des partizipativen Pilotprojekts nach, das 2018 von Artias ins Leben gerufen wurde.

Neun Monate lang hatten sich Langzeit-Sozialhilfeempfänger regelmässig getroffen, um sich auszutauschen, Erlebtes zu teilen, zu hinterfragen und Vorschläge zu machen. Auch um zu träumen und sich gemeinsam eine soziale Begleitung vorzustellen, die ihren Bedürfnissen besser entspricht (siehe ZESO 3/21).

Im Jahr 2021 wurden die Ergebnisse des Projekts von Artias veröffentlicht, insbesondere in Form einer Zusammenfassung der Vorschläge der Teilnehmenden und einer wissenschaftlichen Bewertung. Dennoch blieb der Wunsch bestehen, die reichen Erkenntnisse aus dieser Erfahrung durch die Stimme der direkt beteiligten Akteure weiter bekannt zu machen. So entstand eine originelle Website, auf der von der Sozialhilfe unterstützte Personen, ein Mitglied des Lenkungsausschusses des Projekts und eine Forscherin in Videos und Audios zu Wort kommen.

Während er den Bildschirm runterscrollt, lernt der Internetnutzer Pascal Robert, Stéphane Addor, Stéphane Borges und * (Letztere möchte lieber anonym bleiben) kennen; vier unterstützte Personen, die jeweils aus ihrer Sicht darlegen, was ihnen die Teilnahme gebracht hat, ihre Erfahrungen mit der Sozialhilfe und ihre Verbesserungsvorschläge. «Alles, was kulturell ist, hält eine Gesellschaft, eine Gruppe zusammen», sagt zum Beispiel Stéphane Borges. «Das ist es, was uns vielleicht am meisten fehlt. Wenn man in der Sozialhilfe ist, isoliert man sich, weil man wenig Geld hat und weil es enorm viel kostet, in der Gesellschaft zu bleiben.»  

Die Website geht auch auf die Auswirkungen ein, die Partizipation auf Menschen in prekären Lebenslagen in Bezug auf ihre Identität, ihr soziales Leben und ihre psychische Gesundheit haben kann. «Die Beteiligten sagten, dass die Teilnahme an dem Projekt ihr Selbstvertrauen gestärkt hat, dass es die Scham und die Schuldgefühle, in der Sozialhilfe zu sein, verringern konnte», berichtet die Forscherin Sophie Guerry. «Es hat ihnen das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden, und ihnen den Status eines vollwertigen menschlichen Wesens zurückgegeben.»

Zu Wort kommt auch Frédéric Richter, Mitglied des Lenkungsausschusses und Leiter des Sozialamts der Stadt Neuenburg, für den «die Meinung der von der Sozialhilfe unterstützten Personen, der direkt Betroffenen zu kennen, grundlegend ist». Um die sozialen Vorkehrungen angemessen weiterzuentwickeln, müssen die Akteure der Sozialpolitik die Stimme der Betroffenen besser integrieren. Die Website «Acteurs de nos vies» soll ein Werkzeug für diejenigen sein, die auf diesem Weg weitergehen wollen.