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Praxisbeispiel

Budget junger Erwachsener im Haushalt der Eltern

03.03.2023
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Junge Erwachsene sind mit einem eigenen Unterstützungsbudget und nicht als Unterstützungseinheit mit ihren Eltern zu berechnen, auch wenn sie mit diesen zusammenwohnen.

Frage

Eine junge Frau stellt Antrag auf wirtschaftliche Sozialhilfe. Sie absolviert eine Erstausbildung als Bäckerin. Der Lehrlingslohn und die Ausbildungszulagen decken ihren Lebensunterhalt nicht. Ihr Antrag auf Stipendien wurde abgelehnt. Als einziges Kind wohnt sie noch bei den Eltern.

Wird das SKOS-Budget für die dreiköpfige Familie gemeinsam erstellt, ergibt sich ein Überschuss. Wird für die Tochter ein eigenes Budget erstellt, ist die Tochter bedürftig und hätte einen ergänzenden Sozialhilfeanspruch.

Ist es korrekt, den Antrag der jungen Frau gutzuheissen?

Grundlage

Bei jungen Erwachsenen, die sich in Erstausbildung befinden, ist dem Einbezug der Eltern erste Priorität beizumessen. Die Eltern haben dem Kind eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen so weit als möglich entsprechende allgemeine und berufliche Ausbildung zu ermöglichen (Art. 302 Abs. 2 ZGB). Die Unterhaltspflicht der Eltern dauert bis zur Volljährigkeit des Kindes. Hat das Kind in diesem Zeitpunkt noch keine angemessene Ausbildung, so haben die Eltern, soweit es ihnen nach den gesamten Umständen zugemutet werden darf, für seinen Unterhalt aufzukommen, bis eine entsprechende Aus­bildung ordentlicherweise abgeschlossen werden kann (Art. 277 Abs. 1 und 2 ZGB).

Junge Erwachsene in Ausbildung werden demnach in denjenigen Fällen unterstützt, in denen die Eltern selbst nicht in der Lage sind, den notwendigen Unterhalt – allenfalls auch in Kombination mit Stipendien – leisten zu können, oder nicht bereit sind, ihrer Unterhaltspflicht nachzukommen. Im letztgenannten Fall hat die Unterstützung bevorschussenden Charakter (SKOS-RL E.2.2). Der Anspruch gegenüber den Eltern erfolgt entweder auf freiwilliger Basis oder muss gerichtlich eingeklagt werden.

Nach SKOS-RL C.2 richtet sich die Höhe der Unterstützung nach der Anzahl Personen einer Unterstützungseinheit, die zusammen in einem Haushalt leben. Als Unterstützungseinheit gelten nach SKOS-RL C.2 Erläuterungen lit. b die mit einer um Unterstützung ersuchenden Person zusammenlebenden Personen, für die sie unterhaltspflichtig ist, sei dies wegen elterlichen, ehelichen oder partnerschaftlichen Verpflichtungen. Junge Erwachsene sind ihren Eltern gegenüber grundsätzlich nicht unterhaltspflichtig. Stellen junge Erwachsene einen Antrag auf Unterstützung, können sie deshalb keine Unterstützungseinheit mit den Eltern sein.

Junge Erwachsene in Erstausbildung, ob sie bei den Eltern wohnen oder nicht, werden deshalb in jedem Fall als eigene Unterstützungseinheit berechnet und nicht gemeinsam mit den allfällig ebenfalls auf wirtschaftliche Hilfe angewiesenen Eltern. Sie haben einen eigenen Anspruch auf Sozialhilfe ab Volljährigkeit (18 Jahre).

Es wird ein eigenes Budget erstellt. Auf der Einnahmenseite werden insbesondere der (Lehrlings)lohn, die Ausbildungszulagen, die Stipendien und die Unterhaltsbeiträge der Eltern berücksichtigt. Solange diese noch nicht fliessen, sind sie von der Sozialhilfe zu bevorschussen. Soweit der Unterhaltsbeitrag einvernehmlich vereinbart werden kann, ist er gestützt auf das erweiterte SKOS-Budget nach SKOS-RL D.4.2 zu berechnen. Kann er nicht einvernehmlich vereinbart werden, hat die junge erwachsene Person den Unterhaltsbeitrag gerichtlich geltend zu machen, da die Sozialhilfe nach neuer bundesgerichtlicher Rechtsprechung (BGE 5A_382/2021 mit Verweis auf BGE 5A_75/2020) nicht aktivlegitimiert ist, den Unterhaltsanspruch einzuklagen.

Antwort

Der Antrag ist gutzuheissen, weil bei der vorliegenden Konstellation – junge Erwachsene lebt bei den Eltern – für die Tochter ein eigenes Budget zu erstellen ist. In der Berechnung ist der einvernehmlich vereinbarte oder gerichtlich festgelegte Elternbeitrag zu berücksichtigen, wenn er bezahlt wird. Bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit der Eltern ist auf das erweiterte SKOS-Budget abzustellen, wenn ein Unterhaltsbeitrag einvernehmlich festgelegt werden kann.

Béatrice Aerni
Kommission Richtlinien und Praxis 

Praxis

In dieser Rubrik werden exemplarische Fragen beantwortet und publiziert, die der SKOS im Rahmen ihrer Beratungsangebote gestellt werden.

Weitere Informationen unter skos.ch → Beratung für Institutionen.