Keine Wäscherei wie jede andere: Sie gehört zum Programm Phénix in Neuenburg und wurde zur sozioprofessionellen Integration geschaffen.
Reportage

Die Ateliers Phénix, eine Brücke zu einem Neuanfang

30.05.2025
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Von der Sozialhilfe abhängig zu sein, bedeutet oft, aufs Abstellgleis zu geraten – abseits der Gesellschaft und des Arbeitsmarkts. In Neuenburg bieten die Ateliers Phénix eine Lösung für diese doppelte Ausgrenzung. Sie bieten eine Anlaufstelle, in der man sich weiterbilden, in ein aktives Leben zurückfinden und soziale Bindungen erneuern kann. Ein Besuch.

Die Waschmaschinen laufen auf Hochtouren. Auf dem Boden der Waschküche der Ateliers Phénix in Neuenburg türmt sich die schmutzige Wäsche. Es ist keine Waschküche wie jede andere: Die Hände, die hier die Wäsche sortieren und in die Maschine stecken, bügeln und zusammenlegen, gehören Menschen, die von der Sozialhilfe unterstützt werden. Sie sind im Rahmen eines Programms zur sozioprofessionellen Integration hier. Das ist das Ziel der Ateliers Phénix, die vor mehr als 38 Jahren vom gleichnamigen Verein gegründet wurden. «Die Initiative ging von Sozialarbeitern der Stadt Neuenburg aus. Sie wollten Arbeitslosen und vor allem Sozialhilfeempfängern eine sinnvolle Beschäftigung bieten», erklärt Mathieu Nadeau, der seit April für die Ateliers verantwortlich ist. Die Einrichtung war damals eine Pionierleistung in der Region und entsprach einem Bedürfnis. Inzwischen sind im Kanton weitere ähnliche Angebote entstanden.

Hauswartung, Wäscherei, Transport und Logistik, Veloreparatur, Kochen und Verkauf: Eine bunte Palette von Werkstätten steht allen Personen zwischen 18 und 60 Jahren offen, die Sozialleistungen (Sozialhilfe oder Arbeitslosenentschädigung) beziehen. Die Anmeldung erfolgt über die Sozialberatungsstellen, die Migrationsdienste oder die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). «Die Teilnahme kann freiwillig sein oder von einem Sozialarbeitenden oder einem RAV-Berater, einer -Beraterin initiiert werden», erklärt Mathieu Nadeau. Die Teilnehmenden unterzeichnen einen dreimonatigen Vertrag, der bis zu einem Jahr verlängert werden kann. In dieser Zeit lernen sie die verschiedenen Facetten eines Sektors kennen und erwerben mit Unterstützung eines Ausbilders Kompetenzen. Die Zielgruppe steht oft vor dem gleichen Hindernis: mangelnde Erfahrung, die die Arbeitssuche erschwert. «Wir nutzen die Zeit des Einsatzes, um die Person zu coachen, ihr zu helfen, einen Lebenslauf und ein Bewerbungsschreiben zu verfassen und einen Praktikumsplatz zu finden», betont der Leiter der Ateliers Phénix. Am Ende der Vertragslaufzeit wird ein Kompetenzzertifikat ausgestellt, das bei Bewerbungen ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist.

Die begrenzte Anzahl von Plätzen pro Atelier – etwa ein Dutzend – ermöglicht eine persönliche Betreuung. Rui, ein Informatiklehrer, passt sich dem Niveau und dem Rhythmus jedes Einzelnen an, was die Teilnehmer motiviert: «Unsere Aufgabe ist es, ihnen so viel wie möglich beizubringen. Wir müssen in der Lage sein, sie auf diesem Weg zu begleiten.» Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin könne selbst entscheiden, wie viel er oder sie lernen möchte. «Es ist wichtig, die Verfügbarkeit jedes Einzelnen zu respektieren», sagt Mathieu Nadeau. Eine Mutter habe zum Beispiel weniger Zeit als ein 20-Jähriger.

Seinen Platz in der Gesellschaft wiederfinden

Auf mehreren Etagen des grossen lachsfarbenen Gebäudes sind die Werkstätten verteilt, in denen eifrig gearbeitet wird. Durch die Eingangstür mit dem Slogan «Lasst uns zusammen arbeiten» dringt man in die Wärme der Waschküche. Wie die Transport- und Entrümpelungsdienste, die Hausmeisterdienste und die Fahrradreparatur ist auch diese Werkstatt speziell für Menschen gedacht, die im Hinblick auf ihre sozioprofessionelle Reintegration unterstützt werden, da für diese Tätigkeiten keine Qualifikation erforderlich ist. Hauptziel ist es, dass sich die Teilnehmenden aus ihrem Kokon herauswagen und sie dabei zu unterstützen, wieder soziale Kontakte zu knüpfen», erklärt der Leiter.

So wie Corinne, 52, die seit September 2024 in der Wäscherei arbeitet. An einer der Bügelstationen inmitten von Dampfwolken bügelt sie fleissig kiloweise Kleider und Bettwäsche, mehrere Stunden am Stück. Eine anstrengende Arbeit, die sie aber liebt. «Wenn ich hierherkomme, komme ich aus meiner Isolation und Komfortzone heraus. Es ist eine Tätigkeit, die mich beschäftigt und aufwertet, ich muss morgens aufstehen und mich um mich selbst kümmern. Das gibt meinem Tag einen Sinn.»

Sihem Lakhal, Leiterin der Wäscherei, ist überzeugt, dass die Ateliers Phénix Vorurteile abbauen können: «Sozialhilfeempfänger werden oft von der Gesellschaft ausgegrenzt, man denkt, sie wollen nicht arbeiten. Aber das stimmt nicht. Hier haben sie die Möglichkeit, sich wieder in den Kreislauf einzugliedern und Selbstvertrauen zu gewinnen.» Die junge Frau ist das beste Beispiel dafür. Sie kam im November 2020 aus der Arbeitslosigkeit zu den Ateliers Phénix. Nachdem ihre ALV-Ansprüche ausgelaufen waren, erhielt Sihem Sozialhilfe und wurde in der Wäscherei angestellt. Zuerst als einfache Angestellte, heute als Leiterin. «Ich bin stolz auf meinen Werdegang, denn er zeigt, dass es möglich ist, aus der Sozialhilfe herauszukommen, Kompetenzen zu erwerben und aufzusteigen.»

Die Arbeit in einer Werkstatt kann zu mehr finanzieller Unabhängigkeit führen. Corinne berichtet: «Mit meinen gesundheitlichen Problemen und meinem Alter ist es schwierig für mich, wieder Arbeit zu finden. Was ich hier verdiene, ist ein willkommenes Zusatzeinkommen.» Mathieu Nadeau erklärt, dass die Personen, die in die Werkstätten kommen, zusätzlich zu dem von den kantonalen Behörden festgelegten monatlichen Betrag eine kleine Prämie erhalten. «Wir erhalten vom Staat über die Sozialdienste und die RAV Subventionen. Die Höhe der Prämie pro Person ist klar definiert.»

Ein Stockwerk tiefer arbeitet die 48-jährige Amelia in der Cafeteria. Die Mutter von zwei Kindern stammt aus Angola. Nach einer Zwischenstation in der Hausmeisterwerkstatt leitet sie nun die Hauswirtschaft des Gebäudes. Sie fühlt sich wohl: «Ich mag meine Kollegen und die Teamarbeit.»

Teamarbeit 

In der Küche nebenan ist Teamarbeit angesagt. Karotten schälen, Nudeln trocknen, Geräte reinigen: Gut gelaunt bereiten drei Personen die Menüs und Produkte für den Verkauf im Laden in der Innenstadt vor. Der Workshop richtet sich an qualifizierte Arbeitslose, die die RAV in die engere Wahl genommen hatten. Burim, ein junger Familienvater, hofft, wieder eine Stelle in der Uhrenindustrie zu finden. «Es ist nicht meine Welt, aber es gefällt mir hier. Die Atmosphäre ist gut, ich lerne neue Leute kennen.»

Zwischenmenschliche Beziehungen stehen im Mittelpunkt der Ateliers Phénix, die sich nicht nur als Ausbildungs- und Arbeitsstätte, sondern auch als Ort der Begegnung verstehen. Für Mathieu Nadeau ist die Leitung dieser Einrichtung eine bereichernde Erfahrung. «Ich komme mit Menschen aus allen Bereichen zusammen und habe unglaubliche Begegnungen», sagt der gebürtige Kanadier. «Das zwingt einen dazu, bescheiden zu bleiben und jedem auf Augenhöhe zu begegnen.»

Heterogen ist das Wort, das das Publikum der Ateliers Phénix beschreibt. «Wir haben sehr junge und sehr alte Leute, aber die Mehrheit ist zwischen 45 und 55 Jahre alt», sagt Nadeau. Frauen und Männer halten sich die Waage, rund 70 Prozent sind Ausländer, 30 Prozent Schweizer. Die Zahl der Beschäftigten in den Werkstätten schwankt je nach Arbeitslosenquote und Zuwanderung, aber sie steigt, wie der Direktor versichert.

Der neue Direktor will diese Entwicklung fortsetzen. Demnächst wird in La Chaux-de-Fonds eine Reparaturwerkstatt für Elektrovelos eröffnet. Mathieu Nadeau, diplomierter Modedesigner, möchte dem Secondhand-Spielzeugladen, in dem es von bunten Brettspielen nur so wimmelt, eine künstlerische Note verleihen und ihn mit einer Werkstatt für Möbelrestauration kombinieren.

Dienste für die Bevölkerung

Während die Ateliers Phénix Sozialhilfeempfangende und Arbeitslose betreuen, bieten sie auch Dienstleistungen für die Bevölkerung an. So übernimmt die Wäscherei beispielsweise die Wäsche einer Obdachlosenunterkunft sowie der Feuerwehr im Auftrag der Stadt Neuenburg. Dieser Service steht auch Privatpersonen offen, ebenso wie der Entrümpelungs-/Umzugsservice und die Fahrradreparatur. Im Stadtzentrum verkauft der Laden Aux Paniers Gourmands Produkte aus der Region, die zum Teil in den Ateliers hergestellt werden. Der Laden wird von arbeitslosen Personen betrieben, die wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen.

Julia Rippstein
Freie Journalistin