Forschung

Die Sozialhilfe-Richtlinien: Monitoring 2021

05.06.2022
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Das aktuelle Richtlinien-Monitoring der SKOS hat erneut gezeigt, dass die SKOS-Richtlinien Richtschnur für angepasste und bedürfnisgerechte Lösungen auf kantonaler und kommunaler Ebene sind. Damit leisten die Richtlinien einen wichtigen Beitrag für mehr Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit auf nationaler Ebene auf dem Gebiet der Sozialhilfe.

Das Richtlinien-Monitoring umfasste 74 Fragen zu folgenden Bereichen: persönlicher Hilfe, Grundbedarf, Wohnen, Gesundheitskosten, Integrationszulagen, Einkommensfreibetrag, situationsbedingten Leistungen, Rückerstattung von Sozialhilfe, Nothilfe, Integrationsangeboten, Sanktionen, finanziellen Ansprüchen gegenüber Dritten, Zuständigkeiten und Organisation in der Sozialhilfe und Situation aufgrund der Covid-19-Pandemie.

Die Auswertung des Monitorings zeigt: Obwohl es sich um Empfehlungen handelt, werden die Richtlinien von den meisten Kantonen angewendet.  

Die Berechnung und Festlegung des Grundbedarfs ist ein zentrales Element der SKOS-Richtlinien. Die Zusammensetzung der Ausgabenpositionen und die Höhe des GBL orientieren sich an einem eingeschränkten Warenkorb an Gütern und Dienstleistungen des untersten Einkommensdezils, das heisst der einkommensschwächsten zehn Prozent der Schweizer Haushaltungen. Die Anpassung des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt an die Preis- und Lohnentwicklungen erfolgt gemäss den SKOS-Richtlinien im gleichen prozentualen Umfang wie die Anpassung der Ergänzungsleistungen zu AHV/IV, spätestens mit einem Jahr Verzögerung. Spätestens ab 2022 empfiehlt die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) einen Grundbedarf gemäss Richtlinien von 1006 Franken für einen Einpersonenhaushalt (Beschluss SODK vom 30.11.2020). In 17 Kantonen entspricht der Grundbedarf 2022 der in den SKOS-Richtlinien empfohlenen Höhe. Drei Kantone haben die Anpassung bereits im Verlaufe des Jahres 2021 vollzogen. Ein Kanton wird die Anpassung auf den 1.1.2023 vornehmen.

Drei Kantone haben die Teuerungsanpassung 2020 nicht nachvollzogen und richten einen Grundbedarf von 997 Franken aus. Drei Kantone haben die Teuerungsanpassung 2013 nicht nachvollzogen und richten einen Grundbedarf von 986 Franken aus. Ein Kanton hat die Teuerungsanpassung seit 2011 nicht nachvollzogen und richtet einen Grundbedarf von 977 Franken aus. Ein Kanton kombiniert den Grundbedarf mit der Integrationszulage. Der kombinierte Betrag für einen Einpersonenhaushalt beläuft sich auf 1110 Franken.

Die Befragung 2021 hat zwischen den Kantonen und Gemeinden aber auch grössere Unterschiede aufgezeigt: in den Bereichen des Grundbedarfes für junge Erwachsene, bei der Finanzierung der medizinischen Grundversicherung und bei der Rückerstattungspraxis.

 

Die medizinische Grundversorgung ist neben dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt und den Wohnkosten der dritte Pfeiler der materiellen Grundsicherung (SKOS-RL C.5.). Familien und Einzelpersonen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen haben grundsätzlich Anspruch darauf, dass ihnen ihr Wohnkanton eine Prämienverbilligung (IPV) gewährt (Art. 65f KVG). Die KVG-Prämie sollte somit nicht Teil der wirtschaftlichen Sozialhilfe sein. Die Höhe der IPV deckt jedoch in einzelnen Kantonen nicht die vollen Kosten einer KVG-Prämie, und es liegen häufig auch keine weiteren kantonalen Restprämienübernahmen [1] vor. Die SKOS-RL empfehlen daher, jenen Teil der Prämien für die obligatorische Krankenversicherung, den unterstützte Personen selbst bezahlen müssen, als Aufwandposition im Unterstützungsbudget zu berücksichtigen, ebenso wie die Kosten für Selbstbehalte und Franchisen. Die Kosten für die KVG-Prämien sind nicht rückerstattungspflichtig. Zwölf Kantone geben an, dass die IPV in ihrem Kanton die Prämie für die Grundversicherung von Sozialhilfebeziehenden nicht vollständig deckt. Im Monitoring 2018 wiesen elf Kantone nicht gedeckte Prämien in dieser Höhe auf, 2016 waren es erst fünf Kantone.

Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen

Rechtmässig bezogene Unterstützungsleistungen müssen rückerstattet werden, wenn eine ehemals unterstützte Person in günstige finanzielle Verhältnisse gelangt. Die SKOS-RL unterscheiden hierbei günstige Verhältnisse aufgrund eines Erwerbseinkommens oder eines Vermögensanfalls (Erbschaft, Lottogewinn). In den SKOS-Richtlinien wird empfohlen, grundsätzlich auf die Rückerstattung aus Erwerbseinkommen zu verzichten. Dies mit dem Ziel, die Wiedererlangung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Dort, wo die Kantone eine gesetzliche Grundlage zur Rückerstattung aus Erwerbseinkommen vorsehen, empfehlen die SKOS-Richtlinien, eine grosszügige Einkommensgrenze zu gewähren und die zeitliche Dauer der Rückerstattung auf maximal vier Jahre zu begrenzen. Neun Kantone sehen in Ausnahmefällen eine Rückerstattung aus Erwerbseinkommen vor und berechnen die Forderung gemäss den Empfehlungen der SKOS. Neun Kantone verlangen keine Rückerstattung rechtmässig bezogener Sozialhilfe aufgrund günstiger Verhältnisse basierend auf einem Einkommen. Fünf Kantone verwenden eigene Berechnungsgrundlagen mit teils tieferen Einkommensgrenzen. Drei Kantone machten keine Angaben.

Richtlinien-Monitoring

Die von der SKOS seit bald 60 Jahren entwickelten Richtlinien dienen den Kantonen und Gemeinden als Referenz. Sie sind Empfehlungen, die erst durch die kantonale und kommunale Rechtsetzung sowie die Rechtsprechung verbindlich werden. Seit 2014 führt die SKOS im Zweijahresrhythmus ein Monitoring zur Umsetzung der Richtlinien in den Kantonen und Gemeinden durch. Ziel ist es, über eine regelmässig aktualisierte Datenbasis zur Umsetzung der Richtlinien zu verfügen. Die Daten sind eine wertvolle Grundlage für die interne Diskussion über die Weiterentwicklung der Richtlinien. Sie liefern wichtige Informationen für die Kommunikation gegen aussen. Der Kreis der Befragten besteht aus allen 26 kantonalen Sozialämtern und einer Auswahl von Gemeinden in den Kantonen mit einer starken Steuerung der Sozialhilfe auf kommunaler Ebene.

Ingrid Hess
Redaktionsleiterin