Finanzierung einer Tertiärausbildung

01.12.2025
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Berufsbildung wird im Sinne der Armutsprävention von der Sozialhilfe unterstützt. Wenn ein von der Sozialhilfe unterstützter Auszubildender nach Abschluss der Berufsausbildung ein Studium absolvieren möchte, gilt es, verschiedene Kriterien zu prüfen. 

Christian Müller ist 19 Jahre alt und hat eine Ausbildung als Restaurantfachmann EFZ erfolgreich absolviert. Mit seinen sehr guten schulischen Leistungen konnte er kombiniert zur Lehre die Berufsmaturität machen. Christian Müller wird von der Sozialhilfe unterstützt. Der Verdienst seiner Mutter reicht nicht aus, um ihn zu unterstützen. Er erhält aktuell auch keine Stipendien. Christian Müller möchte nach Lehrabschluss an der Ecole hôtelière de Lausanne (EHL) studieren und einen Masterabschluss erwerben, der ihm eine Laufbahn im Hotelmanagement verspricht. Die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss dieses Studiums werden aufgrund von Christian Müllers Motivation und individuellen Fähigkeiten als hoch eingestuft.

↗Fragen

Kann der Sozialdienst den Masterabschluss an der EHL finanzieren, obwohl Christian Müller bereits über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt?

↗Grundlagen

Eine ausreichende Ausbildung ist die beste Prävention gegen Armut. Die Sozialhilfe strebt deshalb an, dass alle unterstützten Personen eine berufliche Grundbildung erfolgreich absolvieren und so ein existenzsicherndes Einkommen erzielen können (SKOS-RL A.2., C.6.1. und C.6.2.). Sind die allenfalls noch unterhaltspflichtigen Eltern bzw. die Auszubildenden nicht in der Lage, für die Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten aufzukommen, sind stets die Anspruchsvoraussetzungen von Stipendien zu prüfen (Subsidiaritätsgrundsatz, vgl. SKOS-RL A.3.). Sind auch diese nicht erhältlich, ist zu prüfen, ob eine bestimmte Ausbildung das Armutsrisiko langfristig erheblich verringert. Ist dies der Fall, kann eine vollständige oder ergänzende Finanzierung über Sozialhilfeleistungen gewährt werden.

Beim Entscheid über die (Mit-)Finanzierung von Ausbildungen durch die Sozialhilfe können im Einzelfall folgende Kriterien hilfreich sein:

  • Fähigkeiten und Interessen/Motivation der betroffenen Person (z. B. Eignungstest beim BIZ)
  • Alter und persönliche Verhältnisse der betroffenen Person
  • berufliche Perspektiven nach Abschluss der Ausbildung
  • Entwicklung des Arbeitsmarktes
  • Kosten der Ausbildung
  • Möglichkeit einer Nebenerwerbstätigkeit während der Ausbildung

Individuelle Neigungen und Vorlieben der betroffenen Person spielen nur hinsichtlich der Motivation eine Rolle. Der Entscheid, Sozialhilfeleistungen für Ausbildungen auszurichten, wird nach objektiven Gesichtspunkten gefällt. Insbesondere die damit erreichte Verbesserung der mittel- und langfristigen Erwerbsaussichten und die Chancen einer Ablösung von der Sozialhilfe sind massgebend. Soweit es der auszubildenden Person zumutbar ist, hat sie neben der Ausbildung zu arbeiten (insbesondere unter Berücksichtigung von Prüfungszeiten, zeitlich intensivem Studium, Betreuungspflichten). Erachtet der Sozialdienst die Ausbildung einer unterstützten Person als nicht zielführend, ist die Person anzuweisen, die Ausbildung abzubrechen und sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen bzw. sich um eine existenzsichernde, allenfalls ausbildungsbegleitende Anstellung zu bemühen.

↗Antworten

Eine hochprozentige Anstellung im Berufsfeld der Gastronomie verspricht ein existenzsicherndes Einkommen. Deshalb ist es durchaus vertretbar, das Studium nicht über die Sozialhilfe zu finanzieren. Allerdings unterliegt eine Anstellung als Restaurantfachmann EFZ vermehrt konjunkturellen Schwankungen. Eine nachhaltig einkommenssichernde Aussicht ist somit eher ungewiss. Die von Christian Müller angestrebte Ausbildung verspricht demgegenüber eine gute Position in der Gastro-, Hotellerie- und Tourismusbranche. Dadurch kann sein Armutsrisiko aufgehoben bzw. nachhaltig verringert werden. Schliesslich ist unter Berücksichtigung der Chancengleichheit auch ein talentierter junger Erwachsener ungeachtet seiner schwierigen persönlichen Verhältnisse in seiner beruflichen Laufbahn zu fördern. Vor diesem Hintergrund gibt es ausreichende Gründe, Christian Müller das Studium an der EHL zu finanzieren. Die SKOS-Richtlinien empfehlen ab 1. Januar 2026 unter C.6.2. ein stärkeres Engagement in der Übernahme von Bildungskosten. Allerdings ist mit Blick auf die entstehenden Kosten und die Dauer der Ausbildung die Unterstützung an folgende Gegenleistungen zu knüpfen:

  • soweit möglich, einer Nebenerwerbsarbeit nachzugehen
  • möglichst zügiger Masterabschluss
  • zur gegebenen Zeit und bei besseren Aussichten neuer Antrag auf Stipendien 

 

Claudia Hänzi
SKOS, Kommission Richtlinien und Praxis