Praxisbeispiel

Folgen des Autobesitzes bei Antrag auf Sozialhilfe

04.09.2022
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Ein vor der Unterstützung gekauftes und auf die Hilfe suchende Person eingelöstes Auto stellt grundsätzlich ein zu berücksichtigendes Vermögen dar. Es ist zu veräussern, wenn sein Wert den Vermögensfreibetrag für die massgebliche Haushaltsgrösse übersteigt. Autounterhaltskosten sind dann von der Sozialhilfe zu übernehmen, wenn das Auto notwendig ist, d.h., wenn die unterstützte Person aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen ist.

Der alleinstehende Andreas Landolf meldet sich bei der Sozialhilfe zum Bezug von Unterstützungsleistungen an. Bei der Abklärung der Bedürftigkeit stellt sich heraus, dass er ein Auto auf seinen Namen eingelöst hat. Er gibt an, dass seine Grossmutter das Auto gekauft hat, und belegt dies mit einem schriftlichen Kaufvertrag. Gemäss diesem handelt es sich um ein gebrauchtes Auto, das 3500 Franken gekostet hat. Neben dem Auto verfügt Andreas Landolf über ein Konto mit einem Guthaben von 400 Franken. Andreas Landolf bezahlt die Unterhaltskosten und benutzt das Auto, um damit zur Arbeit zu fahren. Die Arbeitsstelle liegt zehn Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Sie ist innerhalb von 30 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Andreas Landolf leistet keine Schichtarbeit. Gesundheitlich ist er nicht eingeschränkt.

Frage

Wie ist ein Auto, das ein Antragsteller im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung auf seinen Namen eingelöst hat, bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen?

Grundlagen

Zum Vermögen gehören sämtliche Vermögenswerte, auf die eine Hilfe suchende Person einen Eigentumsanspruch hat. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit sind die tatsächlich verfügbaren oder kurzfristig realisierbaren Mittel massgebend. Für die Veräusserung von realisierbaren Mitteln muss eine angemessene Frist gewährt werden. Bei Bedarf muss in der Zwischenzeit wirtschaftliche Unterstützung geleistet werden (SKOS-RL D.3.1). Zum anrechenbaren Vermögen gehören u.a. Privatfahrzeuge (SKOS-RL D.3.1 Erläuterungen lit. a).

Ist ein Auto auf eine unterstützte Person eingelöst, besteht eine gesetzliche Vermutung, dass sie Eigentümerin des Motorfahrzeuges ist (Art. 930 ZGB in Verbindung mit Art. 919 ZGB). Kann die unterstützte Person das Gegenteil nicht ausreichend und schlüssig belegen (z.B. Leihvertrag mit Regelung der Modalitäten), stellt das Auto für sie grundsätzlich einen verwertbaren Vermögenswert dar.

Liegt der Wert des Autos im Rahmen des geltenden Vermögensfreibetrags (SKOS-RL D.3.1) und wird dieser Freibetrag nicht bereits mit anderen Werten ausgeschöpft, ist das Eigentum am Auto von der Sozialhilfe grundsätzlich zu akzeptieren.

Liegt der Wert des Autos über dem Vermögensfreibetrag, so kann die weitere Unterstützung davon abhängig gemacht werden, dass das Auto zu einem marktüblichen Preis veräussert wird. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Auto für eine Person notwendig ist oder nicht. Ist eine unterstützte Person auf das Auto aus beruflichen (z.B. Schichtarbeit) oder gesundheitlichen Gründen angewiesen, so ist ihr die Möglichkeit zu geben, das Auto zu einem marktüblichen Preis zu verkaufen und eine Neuanschaffung im Vermögensfreibetrag zu machen. Der nach der Neuanschaffung verbleibende Verkaufserlös ist in der den Vermögensfreibetrag übersteigenden Höhe als Einnahme anzurechnen. Ist das Auto nicht notwendig, besteht grundsätzlich keine Bedürftigkeit.

Wenn ein Auto aus Sicht der Sozialhilfe nicht notwendig ist, aber sich dessen Wert im Rahmen des anwendbaren Vermögensfreibetrags bewegt, müssen die Fahrzeugkosten aus dem Grundbedarf gedeckt werden (Dispositionsfreiheit, SKOS-RL C.3.1). Ist das Auto aus Sicht der Sozialhilfe notwendig, sind die Fahrzeugkosten als situationsbedingte Leistungen von der Sozialhilfe zu übernehmen (SKOS-RL C.6.3). In diesem Fall sind grundsätzlich die anerkannten und belegten Kosten zu übernehmen, soweit sie direkt mit einem für die Sozialhilfe anerkannten Zweck (z.B. Kosten für den Arbeitsweg) in Verbindung stehen. Die zuständigen Organe können im Sinne einer Vollzugsweisung Vorgaben machen, dass anerkannte Fahrzeugkosten pauschalisiert oder nur bis zu einem bestimmten Maximum übernommen werden (SKOS-RL C.6.1 Erläuterungen lit. d).

Antworten

Da das Auto auf den Namen von Andreas Landolf eingelöst ist, darf die Sozialhilfe davon ausgehen, dass die Grossmutter ihm das Auto geschenkt hat und es in seinem Eigentum steht. Dafür spricht auch, dass er die Unterhaltskosten bezahlt. Es ist Andreas Landolf aber die Gelegenheit zu geben, zu beweisen, dass das Auto dennoch im Eigentum der Grossmutter steht. Da der Wert des Autos innerhalb des Vermögensfreibetrags für eine Einzelperson liegt und dieser auch unter Berücksichtigung des Kontoguthabens von 400 Franken nicht überschritten wird, darf Andreas Landolf das Auto behalten, unbesehen davon, ob es aus Sicht der Sozialhilfe für ihn notwendig ist oder nicht. Da Andreas Landolf seinen Arbeitsweg ohne Weiteres mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen kann (30 Minuten Arbeitsweg, keine Schichtarbeit) und keine gesundheitlichen Einschränkungen hat, muss er die Unterhaltskosten aus dem Grundbedarf finanzieren.

Anja Loosli Brendebach
Leiterin Recht und Beratung SKOS

Praxis

In dieser Rubrik werden exemplarische Fragen beantwortet und publiziert, die der SKOS im Rahmen ihrer Beratungsangebote gestellt werden.

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