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Debatte

Mit inklusiver Sprache sichere Räume schaffen

04.03.2024
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Der Einfluss der Sprache auf das gesellschaftliche Zusammenleben wird schon lange diskutiert und immer wieder auch für politische Kampagnen verwendet. Sprache kann Menschen ausschliessen oder sichtbar machen und Zugehörigkeit fördern. Der Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz hat einen Sprachleitfaden zur Verwendung der inklusiven Sprache verfasst.

Welche Sprache wir als Fachpersonen der Sozialen Arbeit verwenden, hat einen Einfluss darauf, von wem wir und wie wir gehört werden. Es werden uns aber auch Vorgaben gemacht, welche Sprache wir wo verwenden müssen oder nicht dürfen. So gab es in den letzten Jahren zum Beispiel verschiedene Kantone in der Schweiz, die die Verwendung von inklusiver Sprache in der Verwaltung untersagten.

Aktuell erarbeitet die Fachgruppe LGBTQIA* von AvenirSocial ein Grundlagendokument zur Verwendung von inklusiver Sprache in der Sozialen Arbeit. Ziel ist es, aufzuzeigen, warum es für Fachpersonen so wichtig ist, eine Sprache verwenden zu können, die von den Adressat:innen verstanden wird und die ihnen das Gefühl gibt, von den Fachpersonen gehört und verstanden zu werden.

Sprache als berufspolitisches Statement

Die Verwendung von Sprache ist im Umgang und in der Verständigung mit Adressat:innen, mit anderen Fachpersonen, Institutionen und Verwaltungen entscheidend, hat aber zusätzlich auch eine starke Wirkung, um strukturelle gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Als Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind wir durch unser dreifaches Mandat dazu verpflichtet, solche Veränderungen zum Wohle unserer Adressat:innen, Arbeitskolleg:innen und einer sozialgerechten Gesellschaft voranzutreiben. Die Verwendung inklusiver Sprache ist also auch ein berufspolitisches Statement. Der Berufskodex hält fest, dass Fachpersonen jegliche diskriminierenden und abwertenden Formulierungen zu vermeiden haben (Art. 12.5), und zwar auch oder gerade dann, wenn dies im Widerspruch steht zu Autoritäten, von denen sie selbst abhängig sind (Art. 10.4).

Als Fachpersonen der Sozialen Arbeit sind wir damit aufgefordert, inklusive, adressat:innengerechte Sprache zu verwenden, auch wenn dies von unseren Arbeitgebenden und/oder Träger:innenschaften untersagt wird. Nur so garantieren wir, Räume zu schaffen, in denen sich unsere Adressat:innen willkommen und sicher fühlen.

Die Folgen

Falls wir dies nicht tun, kann es gravierende Folgen für die Menschen haben, mit denen wir arbeiten. Im Alltag wird oft argumentiert, dass es keine schlimmen Auswirkungen habe, wenn man einen Menschen beispielsweise unbewusst falsch benennt oder mit einer Aussage abwertet. Die meisten sogenannten Mikroaggressionen passieren nicht als bewusste Abwertungen, sondern sind Teil herrschender Wertesysteme, die Menschen mit bestimmten Merkmalen als weniger wert betrachten. Während die Fachperson, die dieses Merkmal für sich selbst nicht kennt, eine Aussage als normal oder unproblematisch betrachtet und diese unbewusst und unreflektiert verwendet, kann sie für betroffene Personen jedes Mal von Neuem eine Konfrontation mit ihrem gesellschaftlichen Status bedeuten. Dies muss im Einzelfall noch nicht problematisch sein, in der Menge bedeutet es aber anhaltenden Stress und kann von depressiven Symptomen und Erschöpfungszuständen bis zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen.

Bewusste Übung ist nötig

Als Fachperson gilt es, solche Auswirkungen auf die Adressat:innen, mit denen man arbeitet, zu verhindern. Lann Hornscheidt bringt es im Buch «Sprachhaltung zeigen» aus dem Jahr 2021 wie folgt auf den Punkt: «Nur durch ein genaues, respektvolles, differenziertes und vorsichtiges Formulieren ist Wertschätzung ausdrückbar, werden Anwesenheiten möglich, werden Verbindungen benenn- und spürbar, wird Unvorstellbares vorstellbar.» Dies wird uns als Fachpersonen nicht einfach in die Wiege gelegt, sondern muss bewusst geübt werden. An Empfehlungen zur Sprachverwendung mangelt es nicht.

Viele Betroffenenorganisationen publizieren fachlich fundierte und praktisch umsetzbare Leitfäden. Ob diese anschliessend von den Fachpersonen berücksichtigt werden, hängt entscheidend von deren Sensibilisierung ab. Im Grundlagenpapier von AvenirSocial wird eine Übersicht über die bestehenden Dokumente gegeben. Auch der Berufsverband selbst verpflichtet sich über einen eigenen Sprachleitfaden zur Verwendung inklusiver Sprache.

Die Idee dieser Grundlage ist nicht, mit dem Finger auf Fachpersonen zu zeigen und ihnen jedes Wort im Mund umzudrehen. Es soll eine Aufforderung zur Selbstreflexion über die eigene Sprachverwendung sein. Wie bezeichne ich mich selbst? Warum bezeichne ich andere Personen auf eine bestimmte Art und Weise, und entspricht dies der Selbstbezeichnung dieser Personen?

Auseinandersetzung mit der Wirkung der eigenen Sprache

Es braucht den Willen und das Interesse, sich nach den Lebensrealitäten der Adressat:innen und Arbeitskolleg:innen auszurichten und sich anwaltschaftlich gegenüber Dritten für sie einzusetzen. Anstatt zu versuchen, möglichst keine «Fehler» zu machen und nach absoluter Political Correctness zu streben, sollte man sich als Fachperson mit der Wirkung der eigenen Sprache auseinandersetzen und nach den strukturellen Ursachen der eigenen Sprachverwendung suchen.

Um die Verwendung von Sprache zu üben und ihre Auswirkungen auf Adressat:innen und Arbeitskolleg:innen zu verstehen, braucht es eine vertiefte Auseinandersetzung bereits in der Ausbildung. Sie soll dort beginnen und muss danach immer wieder stattfinden. Sprache entwickelt sich weiter, und so muss auch die Auseinandersetzung damit, auch als langjährig tätige Fachperson, immer wieder stattfinden.

Sichere Räume schaffen

Als Berufsverband fordern wir alle Fachpersonen zur Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachverwendung auf, damit wir sichere Räume für alle Fachpersonen und Adressat:innen schaffen und uns politisch für die Anerkennung aller Menschen und eine inklusivere Gesellschaft einsetzen können.

Tobias Bockstaller
Fachliche Grundlagen AvenirSocial

Lann Hornscheidt (2021): Sprachhaltung zeigen