Vernehmlassung Richtlinienrevision

01.12.2025
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Kinder und Jugendliche sind überdurchschnittlich armutsgefährdet. 2023 lebte jedes fünfte Kind (20,3 Prozent) unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Das sind 323 000 Minderjährige. Auch in der Sozialhilfe sind Kinder und Jugendliche übervertreten und haben mit 4,8 Prozent die höchste Sozialhilfequote. Eine von drei Personen, die Sozialhilfe bezieht, ist minderjährig.

Gemäss einer von der SODK und weiteren Organisationen in Auftrag gegebenen Studie (Büro BASS 2024) sind die aktuellen Sozialhilfeleistungen unzureichend, um Kindern einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten und ihre spezifischen Bedürfnisse zu decken. Die SODK beauftragte deshalb die SKOS, konkrete Vorschläge zur Umsetzung der in der Studie gemachten Handlungsempfehlungen vorzulegen. Die Richtlinienkommission der SKOS erarbeitete Vorschläge zur Anpassung der Richtlinien. Sie wurden nun von der SKOS-Geschäftsleitung genehmigt und ab 18. November 2025 bis 6. Februar 2026 Mitgliedern und weiteren interessierten Kreisen zur Vernehmlassung vorgelegt. Es geht um folgende Anpassungen der Richtlinien:

Zuschlag für Minderjährige zum GBL

Mit dem Ziel einer generellen Verbesserung der Situation von Familien mit Minderjährigen soll ein Zuschlag zum GBL für Kinder und Jugendliche gewährt werden. Konzipiert als Teil des Grundbedarfs untersteht der Kinderzuschlag der Dispositionsfreiheit und ermöglicht betroffenen Haushalten eine flexible Einteilung anhand der jeweiligen Bedürfnissituation. Der Kanton Neuenburg kennt seit 20 Jahren ein vergleichbares System. Es werden zwei Varianten vorgeschlagen:

a)         Ein Zuschlag von 50 Franken bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit.

b)         Ein Zuschlag von 75 Franken für Minderjährige ab sechs Jahren bis zum Abschluss der obligatorischen Schulzeit.

Unter den beiden vorgeschlagenen Varianten zeichnet sich Variante 1 durch die Gewichtung des frühkindlichen Alters aus. Obwohl der rein finanzielle Bedarf mit zunehmendem Kindesalter noch steigen dürfte, handelt es sich in den ersten Lebensjahren um einen entwicklungspsychologisch entscheidenden Zeitraum.

Variante 2 wurde entwickelt, da die effektiv für den Kinderbedarf anfallenden Kosten massgeblich vom Alter beeinflusst werden. Zur Herstellung einer bestmöglichen Kohärenz wird vorgeschlagen, dass der Zuschlag nach der obligatorischen Schulzeit von einer allfälligen Integrationszulage (IZU) oder einem Einkommensfreibetrag (EFB) abgelöst wird. Als Anreizleistung kommt dem IZU und dem EFB gerade auch bei Minderjährigen nach Schulaustritt eine wichtige Bedeutung zu.

Unabhängig von der gewählten Variante werden weitere Anpassungen nötig, um den Zuschlag im Rahmen der jetzigen SKOS-Richtlinien nachvollziehbar zu integrieren. Diese Anpassungen erfolgen zu den Themen Verbraucherstruktur, Zuschlag bei stationären Aufenthalten Minderjähriger sowie Zuschlag bei Besuchsrechten und alternierender Obhut.

Situationsbedingte Leistungen

Die Studie des Büros BASS unterstreicht die wesentliche Rolle von SIL bei der Deckung kinderspezifischer Bedürfnisse. Es braucht transparente und faire Grundsätze, damit sie ihr Potenzial zur Förderung sozialer Teilhabe und positiver Entwicklung entfalten können. Es wird daher eine Konkretisierung der Richtlinien vorgeschlagen. Kosten für Freizeitangebote sollen bis zu einem Betrag von mindestens 600 Franken pro Jahr und Kind übernommen werden, gegen Vorlage der Belege, aber ohne Einzelfallprüfung.

Zur Präzisierung der situationsbedingten Leistungen an Familien werden zwei weitere Anpassungen vorgeschlagen. Via SIL soll eine minimale Erstausstattung übernommen werden, ebenso Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse in angemessenem Rahmen sowie die Pikettentschädigung für die Wochenbettbetreuung. Ein weiterer Anpassungsvorschlag betrifft die Verhütung (neu SKOS-RL C.6.5. lit. d), um eine selbstbestimmte Familienplanung zu ermöglichen.

Mit den vorliegen Entwürfen zur Revision der SKOS-Richtlinien soll die materielle Situation von Kindern und Jugendlichen verbessert werden. Damit wird ihre gesellschaftliche Inklusion gestärkt, eine gute Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Ausbildung geschaffen. Mittel- und langfristig profitieren alle davon: die öffentliche Hand dank tieferer Kosten im Sozialbereich und höherer Steuereinnahmen, die Wirtschaft dank gut ausgebildeter Arbeitskräfte aus dem Inland, die Gesellschaft dank des besseren Zusammenhalts und weniger sozialer Spannungen und natürlich die betroffenen jungen Menschen, die über eine solide Zukunftsperspektive verfügen.

Auf der Basis der Sozialhilfestatistik 2023 wird mit Kosten von 47 bis 49 Mio. Franken gerechnet. Die Mehrkosten fallen bei den Kantonen und Gemeinden an. Der erwartete Return on Investment durch eine Verhinderung einer Sozialhilfeabhängigkeit im Erwachsenenalter wird sich auf allen Ebenen des Staates und der Gesellschaft niederschlagen.

 

Markus Kaufmann
Geschäftsführer SKOS