Miriam Behrens, ehemalige Generalsekretärin der Grünen Partei der Schweiz, ist seit 2016 Direktorin der Schweizerischen Flüchtlingshilfe
Im Gespräch

«Wir halten es für zentral, dass die Flüchtlinge in der Gesellschaft leben und nicht irgendwo abseits.»

05.06.2022
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Die Schweizer Flüchtlingshilfe hat in der Schweiz die Idee der Gastfamilien für Flüchtlinge lanciert. SFH-Direktorin Miriam Behrens sagt, was es braucht, damit das Modell erfolgreich ist, und warum es zum Standard in der Asylpolitik werden sollte.

Die Solidarität mit den Flüchtlingen aus der Ukraine ist gross. Ein grosser Teil der Flüchtlinge aus der Ukraine kommt in Gastfamilien unter. Wie kam es dazu?

Die Flüchtlingshilfe hat die Idee in der Schweiz während der Syrienkrise lanciert. Konkret haben wir die Unterbringung der Flüchtlinge in Gastfamilien in den Kantonen Genf, Waadt, Aargau und Bern organisiert. In der Folge entstanden Gastfamilienprojekte in diversen Kantonen. Dann gaben wir die operative Leitung der Projekte ab, denn die Schweizerische Flüchtlingshilfe ist keine operativ tätige Organisation. Unsere Aufgabe bestand darin, das Projekt auf nationaler Ebene anzustossen.

Wie funktioniert das konkret? Wie kommt ein Flüchtling oder eine Flüchtlingsfamilie zu ihrer Gastfamilie?

Es gab oder gibt seit dem russischen Angriff auf die Ukraine für die Geflüchteten drei Arten, um bei einer Gastfamilie unterzukommen. Entweder die Flüchtlinge haben Verwandte und Bekannte und gehen direkt zu ihnen, was im Falle der ukrainischen Flüchtlinge häufig der Fall ist. Andere durchlaufen einen geordneten Prozess in Koordination mit den Kantonen. Sie lassen sich zuerst im Bundesasylzentrum registrieren und werden dann, sofern sie dies wünschen, durch die SFH einer Gastfamilie zugeteilt. Oder aber sie suchen sich selbst eine Gastfamilie via Facebook oder direkt am Bahnhof. Von diesem Vorgehen raten wir dringend ab, das ist gefährlich. Es kommt immer wieder vor, dass Frauen auf diese Art Menschenhändlern in die Fänge geraten, und dann kommt erschwerend hinzu, dass keiner sie hier vermisst, weil sie nicht registriert sind. Nicht optimal ist ferner, dass die Flüchtlinge auf diese Art keinerlei professionelle Begleitung haben. Diese erhalten sie nur in einem ordentlichen Verfahren, wie wir es durchführen.

Wie kann man das verhindern?

Wir kommunizieren bereits aktiv zu diesem Thema auf unserer Webseite und den sozialen Medien. Auch das Staatssekretariat für Migration (SEM) und verschiedene Fachorganisationen haben entsprechende Kampagnen gestartet. Wir haben zudem das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gebeten, mit Facebook Kontakt aufzunehmen. Die Plattform steht auch selbst in der Verantwortung.

Hat Sie diese Welle der Solidarität mit den Flüchtlingen aus der Ukraine überrascht?

Die Solidarität mit der Ukraine ist tatsächlich sehr gross. Die Ukraine ist Teil von Europa. Der Eiserne Vorhang gehört auch zu unserer Geschichte. Viele kennen das Land, waren schon dort oder kennen Ukrainer. Hinzu kommt, dass das Täter-Opfer-Schema bei diesem Konflikt so klar ist.

… es ist noch nicht lange her, da sahen wir via die Medien Bilder von Geflüchteten an der belarussisch-polnischen Grenze vor hohen Stacheldrahtzäunen – und doch kam hier keine Aufnahmebereitschaft zustande. Warum ist das jetzt so anders?

In Syrien und in Afghanistan waren die Konfliktlinien für die Bevölkerung sehr schwer erfassbar, da es sich um Bürgerkriege handelte. Sie sind geografisch weiter weg von uns. Zudem war auch das politische Signal nicht dasselbe. Für die ukrainischen Flüchtlinge waren die Grenzen offen, sie brauchten kein Visum, sie durften einfach kommen. Bei der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan letzten Sommer hiess vom ersten Tag an: Wir nehmen niemanden. Das wirkt sich auf die Stimmung in der Gesellschaft aus.

Hinzu kommt, dass aus der Ukraine fast nur Frauen und Kinder kommen …

Absolut. Das spielt sicher eine Rolle bei der Unterbringung. Junge Männer hätten da mehr Schwierigkeiten. Aber auch in der Syrienkrise fanden wir Gastfamilien für sie. Das kann auch ein tolles Gefühl sein, den jungen Männern zu helfen, im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen. Auch sie haben eine Chance verdient.

Anders als im Falle der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine herrscht gegenüber Flüchtlingen ansonsten in weiten Kreisen der Bevölkerung eine eher negative Haltung – ganz besonders gegenüber geflüchteten jungen Männern.

Vor allem jungen Männern gegenüber wurde jahrelang Misstrauen geschürt, aber das bringt uns nirgends hin. Das Befremdende, das manche Menschen empfinden, wenn sie jemandem begegnen, der anders aussieht, andere Gebräuche hat, ist bestimmt nachvollziehbar. Man muss diese Sorgen auch zulassen und auch ernst nehmen. In der politischen Diskussion ist das aber schwierig. Hier wird teilweise gezielt auf Stereotype wie Wirtschaftsmigranten oder Sozialschmarotzer gesetzt.

Die private Unterbringung kann in diesem Sinne einen Beitrag leisten, weil Flüchtlinge, wie Sie sagen, dann mitten in der Gesellschaft sind. Damit es funktioniert, ist was zu beachten?

Wenn wir auf unser Projekt während der Syrienkrise zurückblicken, war der wichtigste Faktor die Begleitung und Betreuung der Gastfamilien. Sie brauchen einen Ansprechpartner, der sie unterstützt und für sie da ist. Die Gastfamilie sollte zudem eine finanzielle Entschädigung erhalten, um die Leistung zu honorieren und einen Anreiz für Kontinuität zu schaffen. Wichtig ist aber auch, dass «es passt». Ideal ist ein Gespräch, um sich kennenzulernen, bevor die Platzierung erfolgt. Das ist derzeit aufgrund der grossen Menge an Personen nicht möglich. Wir machen dennoch grossmehrheitlich positive Erfahrungen. Zum Gelingen beitragen kann auch, wenn Gastpersonen ein Umfeld haben, das mithilft. Der eine Nachbar kocht Dienstagmittag, und der andere spielt gern mit den Kindern Fussball, eine andere Nachbarin kann bei den Behördengängen helfen. Wenn das Dorf oder das Quartier die Gastfamilie ist, dann geht alles leichter. Das sind die Erfolgsmodelle.

Und was sind die nicht Erfolg versprechenden Bedingungen?

Die häufigsten Gründe für einen Abbruch sind falsche Erwartungen seitens der Gastfamilien punkto Dankbarkeit, was ein Flüchtling, was Hilfe ist. Es entsteht dadurch manchmal ein unschönes Verhältnis zwischen der helfenden Person und der Person, der geholfen wird. Es ist zentral, dass sich beide auf Augenhöhe begegnen können. Wie bei einer Wohngemeinschaft.

Wenns dann schiefgeht, müssen im Moment oft die Sozialdienste weiterhelfen. Sie müssen sich somit sowohl um die Flüchtlinge kümmern als auch um die Gastfamilien. Das bringt viele an den Rand ihrer Kapazitäten.

Genau da bieten wir unsere Unterstützung an! Wir sind im Augenblick daran, mit den Kantonen die Begleitung der Gastfamilien zu klären. Die durch uns vermittelten Gastfamilien können von uns oder unseren Partnerorganisationen wie der Caritas oder dem SRK begleitet und betreut werden. Die SFH kann so ihre Erfahrung einbringen. Die Aufgabe der Sozialdienste könnte sich so auf die Begleitung der Flüchtlinge konzentrieren. Wir könnten auch unerfahrene Gemeinden unterstützen und ihnen unsere Erkenntnisse und die wichtigsten Dokumente für den Umgang mit Gastfamilien zur Verfügung stellen. Einige Kantone, etwa Basel, Waadt oder Schaffhausen, haben zudem eigene gut funktionierende Gastfamilienprojekte und übernehmen die Betreuung der Gastfamilien selbst. Das ist auch gut. Gastfamilien, die Flüchtlinge auf eigene Faust aufnehmen, haben keine entsprechende Begleitung. Sie sind allein und wenden sich bei Schwierigkeiten und Fragen oft voller Ungeduld an die Behörden. Da habe ich etwas Mühe, das zu verstehen.

Kommt es oft vor, dass es nicht funktioniert und umplatziert werden muss?

In der Startphase der Ankunft der ukrainischen Flüchtlinge kam es öfter vor, als damals in der Syrienkrise 2015. Damals mussten wir aber auch umplatzieren – es klappt nicht immer. Dessen muss man sich bewusst sein. Wir können in unserem Modell zumindest mit den Geflüchteten und den Gastfamilien sprechen und gegenseitige Erwartungen klären. Wir schicken unseren Gastfamilien auch Merkblätter, damit sie sich vorbereiten können und besser verstehen, was auf sie zukommt. Gastfamilien, die die geflohenen Menschen via Online-Medien abholen, sind schlechter informiert. Hier ist die Umplatzierungsquote auch höher.

«Wir könnten auch unerfahrene Gemeinden unterstützen und ihnen unsere Erkenntnisse und die wichtigsten Dokumente für den Umgang mit Gastfamilien zur Verfügung stellen.»

Miriam Behrens

Wie könnte man das Risiko einer Umplatzierung verringern?

Die Gemeinden könnten eigene Gastfamilienprojekte führen. Das wäre sicher Erfolg versprechend. Gerade in kleineren Gemeinden kennt man sich, und so ist die Wahl der passenden Gastfamilien einfacher und sicher auch nachhaltiger. Wir wären sehr offen für die Zusammenarbeit mit den Gemeinden. Logistisch ist es aber aufgrund der grossen Zahl nicht einfach umzusetzen. Schön wäre auch, wenn die Gemeinden das «community building» unterstützen würden, indem sie – beispielsweise mithilfe der Kirchgemeinde und der ortsansässigen Vereine – alle zusammenbringen: die Gastfamilien, die Flüchtlinge, die freiwilligen Helfer und Helferinnen. Die Sozialdienste sind natürlich nicht dazu verpflichtet. Auch andere Institutionen wie die Quartiervereine könnten die Netzwerkbildung unterstützen. Ich würde mir das sehr wünschen. Denn wenn alle mithelfen, kann auch die Integration und Begleitung der Geflüchteten gut gelingen.

Und wenn Flüchtlinge traumatisiert sind?

Wir vermitteln derzeit keine traumatisierten Menschen oder Personen mit besonderen Bedürfnissen in Gastfamilien. Wir wollen die Gastfamilien nicht überfordern.

«Das Verständnis der Bevölkerung für die Lebensumstände der Geflüchteten nimmt durch Gastfamilien zu.»

Miriam Behrens

Manche Flüchtlinge erhalten einen negativen Asylbescheid und müssen allenfalls ausreisen. Das könnte sowohl für die Gastfamilie als auch den Asylbewerber eine schwierige Situation sein …

Das ist tatsächlich eine herausfordernde Situation, die wir aus der Syrienkrise kennen. Die Gastfamilien setzen sich in solchen Fällen erfahrungsgemäss für ihre Schützlinge ein. Sie werden dabei mit den Schattenseiten des Asylwesens konfrontiert. Hier braucht es besonders viel Begleitung, auch rechtlich. Das Verständnis der Bevölkerung für die Lebensumstände der Geflüchteten nimmt durch Gastfamilien zu. So können wir vielleicht auch politisch etwas zum Besseren verändern.

Die Flüchtlingshilfe möchte das Modell der privaten Unterbringung von Flüchtlingen weiter vorantreiben. Glauben Sie, dass das eine raschere soziale und berufliche Integration ermöglichen würde?

Absolut, deshalb haben wir das lanciert. Aber ohne die Kantone wird das nicht möglich sein. Jetzt ist eine besondere Situation, aber in der Normalphase sind die Asylbewerber oft in Kollektivstrukturen untergebracht. Das kann ich auch verstehen. Es ist wahrscheinlich effizienter und einfacher für die zuständigen Behörden. Es fehlt dadurch aber der Austausch mit der Bevölkerung. Die private Unterbringung bietet hier grosse Chancen: Sie fördert ganz bestimmt die Integration, weil die Flüchtlinge dann nicht irgendwo abgeschottet sind, sondern mitten in der Gesellschaft. Beide verstehen so besser, wo die Probleme liegen. Bei den Flüchtlingen, die komplett abgeschottet sind, entsteht natürlich auch kein Verständnis für die Ausgangslage, in der sie sich befinden.

Gastfamilien sollten aus unserer Sicht auch andere Flüchtlingsgruppen aufnehmen können, sofern sie das möchten. Zum Beispiel Resettlement-Flüchtlinge. Beim Resettlement-Programm werden Menschen die, verfolgt sind, vor Ort vom UNHCR und vom SEM als Flüchtlinge eingestuft und in die Schweiz gebracht. Dort könnten sie dann direkt von einer Gastfamilie aufgenommen werden. Es gibt viele, die dazu bereit wären. Leider wird das von den Behörden bisher nicht gefördert. Deshalb ist sicher wichtig, dass es jetzt gut funktioniert, damit sich das Modell durchsetzen kann. Das würde die Situation der Flüchtlinge in der Schweiz insgesamt verbessern – davon profitiert auch die einheimische Bevölkerung.

Die Schweiz hat eine humanitäre Tradition und nimmt Menschen auf, die an Leib und Leben bedroht sind. Trotzdem haben Flüchtlinge keinen guten Ruf in weiten Teilen der Bevölkerung, auch weil viele oft viele Jahre nicht arbeiten und auf Sozialhilfe angewiesen sind.

Ja, das ist die logische Folge. Wie sollen sich Asylsuchende integrieren, wenn sie nicht willkommen sind, abgeschottet leben müssen, während Monaten nicht arbeiten dürfen, von ihrer Familie getrennt sind und sie auch nicht sehen, geschweige denn nachziehen können. Auch wenn sie irgendwann anerkannte Flüchtlinge sind und arbeiten dürften, finden sie ja nicht gerade eine Stelle nach so langer Zeit. Vorläufig Aufgenommene müssen noch länger warten, bis sie arbeiten können. Das ist enorm schwierig. Tatsache ist aber auch: Nicht alle Flüchtlinge sind in den Arbeitsmarkt integrierbar. Da dürfen wir uns keine Illusionen machen. Das ist aber okay und auch tragbar. Wir sollten hier keine negative Einstellung haben. Es gibt auch Schweizerinnen und Schweizer, auf die das zutrifft.

Tatsächlich haben Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene oft erhebliche Schwierigkeiten, in der Schweiz eine neue Existenz aufzubauen. Seit einigen Jahren erhalten die Kantone mehr Geld für die Integration der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen. Sehen Sie, dass das etwas bringt?

Ja, wir begrüssen die Integrationsagenda ausgesprochen. Damit erhalten die Kantone Vorgaben, was sie für die Integration tun müssen. Das ist ganz bestimmt positiv. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des nationalen Monitorings.

Werden die Integrationsmassnahmen genügen, um die Situation der Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommenen entscheidend zu verbessern?

Das Problem ist, die Integrationsmassnahmen beginnen zu spät im Prozess. Anders als im Falle der Ukraine haben die Geflüchteten aus Syrien oder Afghanistan in der Regel einen langen Fluchtweg hinter sich. Sie waren oft Monate, wenn nicht Jahre auf diesen grauenvollen Fluchtwegen unterwegs und sind oft traumatisiert. Nach der Ankunft in der Schweiz passiert im Normalfall punkto Integration erstmal nichts. Man will schliesslich nicht in Menschen investieren, die allenfalls das Land wieder verlassen müssen. Es gibt während des Asylverfahrens kaum Beschäftigungsprogramme oder Bildungsangebote. Der Nachteil ist, man verliert damit die Integrationsfähigkeit vieler. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Flüchtlinge nur vorläufig aufgenommen wird, aber dennoch etwa zehn Jahre bleibt. Das ist unsinnig. Bei der vorläufigen Aufnahme sind die Integrationsmassnahmen sehr eingeschränkt. Seine Familie darf man etwa erst nach drei Jahren nachziehen, und das nur, wenn man unabhängig von Sozialhilfe ist und über eine grosse Wohnung verfügt. Auch die Reisefreiheit ist massiv eingeschränkt. Der Vergleich zu den Integrationsmöglichkeiten der Ukrainerinnen mit dem Status S ist diesbezüglich frappant, die Rechtsungleichheit ist stossend.

Was braucht es für eine nachhaltige Integration?

Die soziale Integration ist für uns der zentrale Punkt. Die Integration ist heute sehr monetär definiert und auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet. Wir halten es jedoch für zentral, dass die Flüchtlinge in der Gesellschaft leben und nicht irgendwo abseits. Da sind die Gastfamilien natürlich zentral. Die Sprache wird so einfacher erlernt, und die Geflüchteten lernen unseren Lebensstil kennen. Die Möglichkeit, auf diesem Weg niederschwellige Hilfe zu erhalten, Netzwerke zu nutzen, sind Integrationsbooster. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Gastfamilien ist zwar etwas aufwendiger für den Staat, aber die Integration funktioniert ganz bestimmt besser. Somit wird der Staat ja auch wieder entlastet. Das gilt nicht für jeden Fall. Die Bilanz ist aber sicher positiv.

Im Falle der Ukraine-Flüchtlinge hat die Schweiz erstmals den Schutzstatus S eingeführt. Flüchtlinge aus anderen Krisengebieten müssen das Asylverfahren durchlaufen, das die SFH in der Vergangenheit mehrmals heftig kritisiert hat.

Ja. Die prioritär angestrebte Beschleunigung bei den Asylverfahren ging insbesondere im ersten Jahr eindeutig zulasten der Qualität. Es ist ja zentral, die Fluchtursachen genau zu verstehen, um einen Asylentscheid zu fällen. Ferner muss man den Gesundheitszustand einordnen können. Wenn all das ungenügend abgeklärt wird, ist der Entscheid oft falsch und wird vom Verwaltungsgericht für nichtig erklärt. Das geschieht häufig, und ich finde, das sollte nicht so sein. Wir werden das weiter im Auge behalten und evaluieren und wenn nötig noch einmal intervenieren.

«So gehört die Schweiz insgesamt zu den Ländern, die eine durchaus positive und aktive Rolle spielen.»

Miriam Behrens

Wie beurteilen Sie die Schweizer Flüchtlingspolitik im internationalen Vergleich?

Man kann feststellen, dass nach jahrzehntelanger Konzentration auf Verschärfungen im Schweizer Asylwesen nun mit dem Rechtsschutz im Asylverfahren und mit der Integrationsagenda grosse Verbesserungen spürbar sind. So gehört die Schweiz insgesamt zu den Ländern, die eine durchaus positive und aktive Rolle spielen. Andererseits ist die Schweiz ein sehr wohlhabendes Land und könnte natürlich durchaus mehr tun. Besonders stossend ist die brutale Abschottung an Europas Aussengrenzen, die die Schweiz mitträgt. Tatsache ist zudem, dass die Schweiz im Rahmen des EU-Dublin-Abkommens sehr konsequent darin ist, Flüchtlinge in andere Länder zurückzuschicken. Da ist die Schweiz Europameisterin. In der Praxis beobachten wir in diesem Sinne eine gewisse Härte.