SKOS

Die SKOS-Richtlinienrevision setzt auf praxisorientierte Weiterentwicklung

30.05.2025
2/25

Die zweite Etappe der SKOS-Richtlinienrevision bringt relevante Anpassungen für die Praxis. Im Fokus stehen Kinder und Jugendliche, Gleichstellung, persönliche Hilfe und Rechtsberatung. Die Teilnehmenden entschieden sich für die Beibehaltung des Mischindexes und eine Erhöhung des Vermögensfreibetrags auf 6000 Franken. Das Thema Rückerstattung bleibt offen.

Die Vernehmlassung zur zweiten Etappe der SKOS-Richtlinienrevision ist abgeschlossen. Rund 120 Institutionen haben sich in der Vernehmlassung geäussert – darunter 25 Kantone, viele Gemeinden, Fachorganisationen und weitere Interessierte. Die Rückmeldungen zeigen breite Zustimmung zu den meisten der vorgeschlagenen Anpassungen, aber auch klare Erwartungen an die Umsetzung in der Praxis. Im Zentrum der Revision stehen Kinder und Jugendliche, Gleichstellung, persönliche Hilfe und der Zugang zur Rechtsberatung – alles Themen, die den Sozialalltag direkt betreffen.

Praxisgerechte Weiterentwicklung statt Neuausrichtung

Die laufende Gesamtrevision der SKOS-Richtlinien verfolgt keinen grundlegenden Kurswechsel. Vielmehr geht es um Aktualisierungen sowie darum, die bestehenden rechtlichen, gesellschaftlichen und fachlichen Entwicklungen aufzunehmen. Die zweite Revisionsetappe legt den Fokus auf inhaltliche Präzisierungen und neue Schwerpunkte. Die Rückmeldungen zeigen: Viele der angestossenen Änderungen sind in der Praxis längst Realität. Die Revision bringt sie nun auf den Punkt und schafft Klarheit für eine einheitlichere Anwendung.

Kinder und Jugendliche stärker im Blick

Neu soll die Förderung von Kindern und Jugendlichen explizit zu den Zielen der Sozialhilfe gehören. Ausserdem sollen fördernde situationsbedingte Leistungen (SIL) für Kinder und Jugendliche – etwa Lager, Musikunterricht oder Sport – übernommen werden können, wenn sie dem Kindeswohl und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dienen. Kantone, Gemeinden und private Organisationen begrüssen das grundsätzlich. Gleichzeitig wird gefordert, eine Besserstellung gegenüber Familien an der Armutsgrenze zu vermeiden und die Formulierung «angemessen» konkreter zu fassen. Hier wird ein Merkblatt als hilfreiches Instrument angeregt.

Gleichstellung: Wichtiges Signal, aber noch viel zu tun

Die Ergänzung zur Gleichstellung der Geschlechter in den Integrationszielen wurde mehrheitlich positiv aufgenommen. Sie erinnert an bestehende Ungleichheiten – etwa bei der beruflichen Eingliederung oder Wiedereingliederung von Frauen – und will sie sichtbarer machen. Kritisch wird angemerkt, dass ohne konkrete Massnahmen der Effekt begrenzt bleibt. Einige fordern, auch andere Diskriminierungsformen explizit zu nennen, etwa bezüglich sexueller Orientierung oder Zugehörigkeit zu Minderheiten. Für die Praxis bedeutet das: Sensibilisierung ja, aber mit klarer Zuständigkeit und realistischen Erwartungen.

Integration und persönliche Hilfe – präziser gefasst

Mit der Aufnahme des Begriffs «Potenzialabklärung» und der Nennung sozialer, sprachlicher und beruflicher Integration wird die Rolle der persönlichen Hilfe gestärkt. Sie ist auch dann möglich, wenn kein Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe besteht – eine wichtige Klarstellung. Die Rückmeldungen zeigen breite Zustimmung, es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass die Umsetzung nur mit ausreichenden Ressourcen funktioniert. Die persönliche Hilfe wird als eigenständiges und wichtiges Instrument gesehen – zur Stabilisierung, Prävention und Integration.

Rechtsberatung: Zwischen Anspruch und Umsetzung

Sozialhilfebeziehende sollen künftig besser unterstützt werden, wenn sie Ansprüche gegenüber Dritten – etwa Sozialversicherungen – geltend machen müssen. Zusätzlich wird der Zugang zu unabhängigen Rechtsberatungsstellen und Ombudsstellen empfohlen. In der Praxis wird das bereits in mehreren Städten und Kantonen umgesetzt. Die Mehrheit unterstützt den Schritt, mahnt aber klare Regeln zur Finanzierung und Qualitätssicherung an. In den neuen Erläuterungen wird festgehalten, dass die Beratung kostenlos zugänglich sein muss, um ihren Zweck zu erfüllen.

Begriffsanpassungen und technische Klärungen

Mit der einheitlichen Verwendung des Begriffs «Hilfe in Notlagen» (statt «Nothilfe») wird eine sprachliche Angleichung an die Bundesverfassung vollzogen. Die Anpassung wird generell begrüsst, wobei vor allem aus der französischen Schweiz Wünsche zur sprachlichen Anpassung geäussert wurden.

Beibehaltung des Mischindexes, Erhöhung des Vermögensfreibetrags

Bei zwei Themen wurden in der Vernehmlassung Varianten zur Diskussion gestellt. Für die Anpassung des Grundbedarfs an die Teuerung sprachen sich 24 Kantone und 92 Prozent der Teilnehmenden für die Beibehaltung des Mischindexes aus. Bei der Frage nach einer Erhöhung des Vermögensfreibetrags unterstützten rund zwei Drittel der Rückmeldungen grundsätzlich eine Erhöhung. Eine Mehrheit bevorzugte dabei klar die Variante mit einem Freibetrag von 6000 Franken.

Thema Rückerstattung zurückgewiesen

Keine klaren Mehrheiten und viele kritische Kommentare gab es zu den Anpassungen beim Thema Rückerstattung. Das Thema wird deshalb an die zuständigen Gremien zur Überarbeitung zurückgewiesen.

Ausblick

Der SKOS-Vorstand hat die Rückmeldungen aus der Vernehmlassung diskutiert und die definitive Version an seiner Retraite vom 24. April 2025 zuhanden der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) verabschiedet. Am 15. Mai 2025 bestätigte die Plenarversammlung der SODK die Anträge der SKOS und empfiehlt den Kantonen die Anwendung ab 1. Januar 2026. Weiter beschloss die SODK zwei Neuerungen zur Bekämpfung von Familienarmut. Die Plenarversammlung entschied sich für ein Modell, das bereits im Kanton Neuenburg seit bald 20 Jahren angewendet wird. Künftig sollen demnach die SKOS-Richtlinien für Familien einen Zuschlag von 50 Franken monatlich für jedes Kind vorsehen – bis zu einer Obergrenze von 200 Franken pro Familie. Darüber hinaus erhält die SKOS den Auftrag zu prüfen, wie die situationsbedingten Leistungen (SIL) zu konkretisieren sind. Die Neuerungen in den SKOS-Richtlinien sollen im Winter 25/26 in die Vernehmlassung gehen; im April 2026 vom SKOS-Vorstand und im Mai 2026 von der SODK-Plenarversammlung genehmigt werden und auf 2027 in Kraft gesetzt werden.

Die zweite Etappe der Richtlinienrevision zeigt: Die SKOS setzt gezielt auf Praxisthemen, die den Alltag von Sozialdiensten direkt betreffen. Die Rückmeldungen zeigen, dass viele Anliegen aus der Praxis bereits umgesetzt werden – aber oft ohne formale Klarheit oder einheitliche Standards. Genau hier setzte die Revision an. Neben den angepassten Richtlinien sind konkrete Praxishilfen und Merkblätter vorgesehen, um die Umsetzung in den Sozialdiensten zu unterstützen.

In der dritten Revisionsetappe werden wichtige Themen wie die bessere finanzielle Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Sozialhilfe, die Konkubinats- und Haushaltsführungsbeiträge und die Mietzinslimiten bearbeitet.

Iris Meyer 
Redaktorin, SKOS