Kommentar

Die Wohnungsfrage rückt wieder ins Zentrum

05.06.2023
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Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis der Menschen. Für Armutsbetroffene und Sozialhilfebeziehende war es schon immer eine grosse Herausforderung, eine angemessene Wohnung zu finden und zu halten. Mit der sich verschärfenden Situation auf dem Wohnungsmarkt wird dies noch schwieriger. Laut dem Unternehmen Wüest Partner fehlen in drei Jahren über 50 000 Wohnungen. Die SKOS hat 2020 im Grundlagenpapier «Wohnen – Herausforderungen und Handlungsansätze aus Sicht der Sozialhilfe» drei zentrale Punkte hervorgehoben. Erstens die hohen Wohnkosten: Sie führen regelmässig dazu, dass die realen Mietzinsen über den von den Sozialdiensten festgelegten Limiten liegen. Gemäss einer Studie des Kantons Bern aus dem Jahr 2020 zahlen 18 Prozent der unterstützten Haushalte einen Teil der Miete aus dem Grundbedarf. Zweitens die Wohnqualität: Armutsbetroffene leben oft in prekären Wohnsituationen. Damit verbunden sind eine Überbelegung der Wohnung, Lärmbelastung, ein schlechter Zustand der Wohnung (z.B. Undichtheit, Kälte, Schimmel) und eine höhere Unzufriedenheit mit der Wohnsituation im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Drittens die Wohnsicherheit: Schulden und Stigmatisierung als Armutsbetroffene erschweren die Wohnungssuche. Im Extremfall droht den Menschen Obdachlosigkeit.

Wenn das Angebot an Wohnungen knapper wird, werden diese Herausforderungen noch grösser. Gefordert sind die Gesellschaft und der Staat gemeinsam. Es gilt, bestehenden erschwinglichen Wohnraum für Armutsbetroffene zu sichern und zusätzlichen zu schaffen. Dies kann durch Objektfinanzierung (z.B. Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus) oder über Subjektfinanzierung (z.B. Wohnbeihilfen wie die Familienmietzinsbeiträge des Kantons Basel-Stadt) erfolgen. In Phasen akuter Wohnungsnot ist die Politik gefordert, auch kurzfristige Massnahmen ins Auge zu fassen, um zu verhindern, dass mehr Menschen in die Armut abrutschen und zahlungsunfähige Mieterinnen und Mieter plötzlich in grosser Anzahl auf der Strasse stehen.

In der Sozialhilfe gilt es, bei steigenden Mietzinsen die Mietzinslimiten zu überprüfen. Im Juni wird die Erhöhung des Referenzzinssatzes erwartet, zum ersten Mal seit dessen Einführung vor 15 Jahren. Ein Viertelprozent beim Referenzzinssatz entspricht drei Prozent Mietzinserhöhung. Zumindest diese Anpassung bei den Limiten ist folgerichtig. Die Verpflichtung zum Wechsel in eine kostengünstigere Wohnung nach einer Mietzinserhöhung oder eine Finanzierung der Mieterhöhung durch den Grundbedarf sind keine nachhaltigen Alternativen.

In den letzten fünf Jahren sind die Kosten für die Sozialhilfe kontinuierlich gesunken, parallel zum Rückgang der Anzahl unterstützter Personen. Schweizweit lagen sie im Jahr 2021 noch bei 316 Franken pro Einwohnerin oder Einwohner, sechs Prozent tiefer als 2017. Mit der sich zuspitzenden Situation auf dem Wohnungsmarkt, den höheren Krankenkassenprämien und der allgemeinen Teuerung ist ab 2023 wieder mit einer Zunahme zu rechnen. Vergessen wir dabei nicht: Langfristig lohnen sich diese Investitionen in die soziale Sicherheit und die Armutsprävention. 

Markus Kaufmann
Geschäftsführer SKOS