Digitalisierung ist kein Sparprogramm – schon gar nicht im Sozialbereich

01.12.2025
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Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt tiefgreifend – auch in der öffentlichen Verwaltung und insbesondere im Sozialbereich. Prozesse werden automatisiert, Daten besser vernetzt, Kommunikation beschleunigt. Das ist sinnvoll und notwendig. Doch wer daraus ableitet, dass sich damit vor allem Personalkosten einsparen lassen, verkennt die Realität.

Gerade in der Einführungsphase neuer digitaler Lösungen entsteht zusätzlicher Aufwand – für alle Beteiligten. Neue Technologien stellen etablierte Abläufe infrage, und es ist unrealistisch, zu erwarten, dass Systeme von Beginn an reibungslos funktionieren. Der Weg zum «Normalbetrieb» ist oft lang und erfordert Geduld, Ressourcen und Flexibilität.

Digitale Tools können entlasten – das bleibt ein wichtiges Ziel. Doch im Sozialbereich findet die anspruchsvolle Arbeit in direkter Beziehung zu den Hilfesuchenden statt. Diese Arbeit muss zuverlässig funktionieren, unabhängig davon, wie ausgereift die digitalen Werkzeuge sind. Die Herausforderung besteht darin, die digitale Transformation so zu gestalten, dass sie die Qualität der sozialen Arbeit stärkt – nicht gefährdet.

In Zürich arbeiten wir aktuell mit einer neuen Fallapplikation, die mittelfristig viele Vorteile bringen soll. Doch auch hier zeigt sich: Die Einführung neuer Technologien ist kein Selbstläufer. Sie braucht Zeit, Schulung, Prozessanpassung – und mehr Personal, zumindest temporär. Denn Transformation bedeutet nicht nur Technik, sondern auch einen Wandel der Arbeitsorganisation, der Prozesse und der Kultur. Die Mitarbeitenden brauchen dafür geeignete Rahmenbedingungen. Die Verantwortlichen müssen investieren: in Weiterbildung und Support, in Change-Management und kulturelle Massnahmen.

Politisch ist es deshalb zentral, Digitalisierung nicht als Sparprogramm zu verkaufen. Wer glaubt, mit weniger Menschen mehr Wirkung zu erzielen, wird enttäuscht. Viel wichtiger ist es, die heutigen Anforderungen – etwa im Bereich Compliance – realistisch zu bewerten und zu klären, was Digitalisierung tatsächlich leisten kann. Gleichzeitig gilt es, die Chancen zu nutzen. Denn wer nichts tut, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren.

 

Eve Moser, Manfred Dachs
Direktion Soziale Dienste Zürich